(1. September 2014)
Das „Signing Statement“: Eine Aufhebung der Gewaltenteilung
Die Präsidenten der Vereinigten Staaten nehmen sich nicht nur die Jahrhunderte lang unhinterfragte Macht der Gewohnheit in Form von „Executive Orders“ in all ihren Varianten heraus, sondern auch noch das virtuelle Recht, vom Kongress beschlossene Gesetze ganz oder teilweise faktisch zu ignorieren, ohne ihr (verfassungsmäßiges) Veto einzulegen.
Dazu benutzen die Präsidenten seit Ronald Reagan eine bis dahin für zeremonielle Zwecke benutzte Prozedur, das „Signing Statement“, eine Erklärung des Präsidenten bei der Unterschrift von Gesetzen.
Laut Artikel 1 Sektion 7 der Constitution muss der verfassungsmäßige Gesetzgeber, der Kongress, jedes seiner Gesetze zuerst dem Präsidenten vorlegen. Dieser kann es dann entweder unterschreiben und so in Kraft setzen, oder es ablehnen zu unterschreiben (sein „Veto“ einlegen“) und an den Kongress zurückverweisen.
In diesem Falle aber hat der Kongress und seine beiden Kammern, Repräsentantenhaus und Senat, die Möglichkeit, das gleiche Gesetz noch einmal mit Zweidrittelmehrheit zu beschließen und es ohne Unterschrift des Präsidenten sofort in Kraft zu setzen, also den Präsidenten zu überstimmen. Im Falle des Falles für jede Demokratie eine wichtige Option.
Die nun seit der Reagan-Präsidentschaft – mit ex-C.I.A.-Direktor George Bush Senior als Vizepräsidenten, sowie einer ganzen Reihe von aufgestiegenen Neocons und „demokratischen Revolutionären“ (Michael Ledeen) in der Präsidialverwaltung des Weißen Hauses und seinen Behörden – von allen Präsidenten angewandte Taktik mit „Signing Statements“ unliebsame Gesetze vollständig lahmzulegen und zu sabotieren, funktioniert nun wie folgt:
Der Präsident unterschreibt zwar das Gesetz, erklärt aber gleichzeitig in einem „Signing Statement“, wie, ob und welche Teile des Gesetzes er durch seine ausführenden Behörden, also die Exekutive, umzusetzen gedenke; und dies obwohl eine teilweise Inkraftsetzung von Gesetzen bereits 1998 durch den Obersten Gerichtshof für verfassungswidrig erklärt wurde.
Durch diese perfide Taktik nimmt der Präsident zudem dem Kongress die Möglichkeit das Gesetz mit Zweidrittelmehrheit zu beschließen und so den Präsidenten verfassungsgemäß zu umgehen.
Am 24. Juni 2006 schließlich stellte eine Arbeitsgruppe der American Bar Association, in der fast die Hälfte aller Rechtsanwälte in den U.S.A. Mitglied sind, in einer Erklärung fest, dass „Signing Statements“ des Präsidenten in der Verfassung nicht einmal erwähnt werden und dass
„Präsident Bushs Signing Statements in Verletzung der wichtigen Doktrin der Teilung von Macht erfolgen und diese unterminieren.“
Des Weiteren erklärte die Arbeitsgruppe der American Bar Association, dass ihre Erläuterungen
„die Bedeutung der Doktrin der Teilung von Macht unterstreichen sollen und daher einen Aufruf an den Präsidenten und all seine Nachfolger repräsentieren, die Rechtstaatlichkeit („rule of law“) und unser Verfassungssystem der Teilung von Macht und Gewaltenteilung („checks and balances“) vollständig zu respektieren.“
Natürlich folgten weder der Präsident George Bush Junior, noch der Präsident Barack Obama irgendeinem „Aufruf“. Alles ging munter weiter wie bisher, bis heute.
Nur die Zahl der „Signing Statements“ schrumpfte unter der Obama-Präsidentschaft ein wenig. Was für ein gütiger Cäsar.