08.03.2016 - 12:52 [ German Foreign Policy ]

Schiedsrichter bei Bedarf

Dabei lieferte der Umgang mit dem Genozid schon 1915 Einblicke in den flexiblen Umgang der deutschen Außenpolitik mit dem „Thema Menschenrechte“. Berlin ersparte dem Osmanischen Reich damals nicht nur Kritik am Massenmord an mehr als einer Million Menschen. Deutsche Amtsträger waren auch tief in das Verbrechen involviert: Ziel war es, gegen den gemeinsamen Feind Russland vorzugehen.[11] Während deutsche Stellen in den Genozid eingebunden waren, erklärte Berlin, man führe den Krieg gegen Russland zum Schutz der Menschenrechte und wolle lediglich die russische Bevölkerung vom „Joch des Zaren“ befreien. Die Behauptung sollte die Sozialdemokratie für den Krieg gewinnen. Am Despotismus des Zaren war damals nicht zu zweifeln, an der fürchterlichen Brutalität des Armenier-Genozids allerdings noch weniger. Dass dem deutschen Krieg tatsächlich die Sorge um Menschenrechte zugrunde gelegen haben könnte, vermutet im historischen Rückblick niemand mehr.