(23.Juni 2010) Präsident Barack Obama hat die Notbremse in einem Fiasko gezogen, bei dem sich das US-Militär verselbstständigt hat wie zuvor auch die CIA. Der hochbrisante Kongressbericht, als auch der Artikel des “Rolling Stone”, die Anfang dieser Woche für fundamentales Aufsehen sorgen sollten, wurden genutzt, um den beiden hohen US-Generälen McChrystal und Petraeus einen einigermassen ehrenwerten Abgang bzw Degradierung zu ermöglichen. Das Tempo der Ereignisse läßt durchaus den Schluss zu, dass die US-Regierung die Entscheidungen bezüglich dieser gewaltige tektonische Verschiebung in der Militärpolitik nicht ganz unvorbereitet traf.
McChrystal muss, angesichts der bekannt gewordenen direkten Finanzierung von Warlords und Milizen in seinem Verantwortungsbereich, vor die Wahl gestellt worden sein entweder vom US-Präsidenten wegen nicht zu übersehenden “Versagens” im Afghanistan-Krieg unehrenhaft entlassen zu werden oder es vorzuziehen, seinen Rücktritt mit den im “Rolling Stone” publik gemachten respektlosen Äusserungen über die zivile Regierung zu begründen. Diese Variante sichert McChrystal nun sogar Sympathien der konservativen Öffentlichkeit; alle Seiten haben ihr Gesicht gewahrt, die Hintergründe bleiben im Dunkeln.
McChrystals Vorgesetzter aber, Zentralkommando-Chef Petraeus, er muss über die Dimensionen der “Warlord AG” Bescheid gewußt haben. Petraeus wiederum ist in den zunehmend militaristisch gewordenen USA ungeheuer populär. Eine andere Möglichkeit auch Petraeus elegant zu entmachten, hätte es nicht gegeben. Ihn einfach zu entlassen, hätte ausführlicher Erklärungen und öffentlichen Debatten bedurft, die für die USA insgesamt (wie auch für die kleinen Nato-Anhängsel wie Deutschland) äußerst peinlich geworden wären. So muss nun Petraeus als Afghanistan-Kommandeur die Suppe auslöffeln, die er selbst eingebrockt hat. Der Öffentlichkeit kann man die Angelegenheit als Einsatz eines bewährten Helden an der Front erklären, der sich für die gute Sache quasi selbst degradiert. Auch das Militär insgesamt bewahrt so sein Gesicht, es kann noch nicht einmal so richtig gegen den liberalen Präsidenten pöbeln.