06.02.2015 - 19:21 [ German Foreign Policy ]

Das Zeitalter des Ordnungszerfalls

In der Tat ist der Westen im Lauf des vergangenen Jahres mehrfach an seine machtpolitischen Grenzen gestoßen. Dies gilt zunächst für den Einflusskampf um die Ukraine. Seit 1990 konnte es als Regel gelten, dass Bonn bzw. Berlin und Washington noch jeden Vorstoß in Richtung Osten erfolgreich über die Bühne brachten, sofern sie sich nur über ihn einig waren. So musste weder bei der EU- noch bei der NATO-Osterweiterung Rücksicht auf die Interessen Russlands genommen werden, dessen Territorium sich die beiden Machtblöcke jeweils annäherten. Auch die Bemühungen, unmittelbare Grenznachbarn Russlands wie die Ukraine und Georgien im Rahmen der „Östlichen Partnerschaft“ an die EU anzubinden, stießen zunächst nicht auf größere Hindernisse. Der von der Bush-Administration gewünschte NATO-Beitritt der Ukraine und Georgiens scheiterte nicht an russischen Einsprüchen, sondern an Berlin, das Washington keine weiteren Einflussgewinne in Osteuropa zugestehen wollte. Auch bei der Abspaltung des Kosovo von Serbien im Jahr 2008 konnten die westlichen Mächte Moskaus Proteste ignorieren. Erst der gewaltsame prowestliche Umsturz in Kiew im Februar 2014 führte zur Übernahme der Krim durch Russland und damit zu einem Gegenschlag, der die kontinuierliche westliche Machtausdehnung in Richtung Osten durchbrach – für die Zeit seit 1990 eine Premiere.