Indem sie den Krieg als Verteidigung gegen einen Angriff von außen darstellte, gelang es der deutschen Regierung, die Arbeiterbewegung zu überrumpeln und ein nationales Wir-Gefühl herzustellen – woran Bismarck einst gescheitert war. Die »vaterlandslosen Gesellen« wurden ideologisch umarmt und gleichzeitig materiell eingebunden. Mit dem Vaterländischen Hilfsdienstgesetz von 1916 wurden Gewerkschaften erstmals als Verhandlungspartner anerkannt. Sie bekamen neben Staat und Unternehmern einen Sitz in den Kriegsausschüssen der Rüstungsindustrie. (..)
Auch die Ideologie dahinter war dieselbe: gemeinsames Handeln von Arbeitskraft und Kapital im Kampf um den Weltmarkt. Die Konzepte von Sozialpartnerschaft und Exportnationalismus sind bis heute Konstanten deutscher Innenpolitik. Der Rückblick auf 1914 zeigt: Eine linke Auseinandersetzung mit Nationalismus kann nicht nur Ideologiekritik betreiben; sie muss auch die materiellen Versprechen angreifen, die das nationale Wir-Gefühl plausibel machen