16.12.2010 - 18:07 [ Frankfurter Allgemeine Zeitung ]

Das Zeitalter der Geheimnisse ist vorbei

Die Diskussionen der Geschehnisse um den letzten Coup von Wikileaks in den deutschen Medien sind streckenweise von bizarrer Kurzsichtigkeit und kognitiver Dissonanz geprägt. Von beleidigter Aufgeregtheit ehemals investigativer Journalisten, die nicht exklusiv an den Daten-Trog durften – aber sich dann zu fein sind, die publizierten Daten eigenständig auszuwerten –, bis zu faktenarmer Meinungsmache reicht das Spektrum…Es braucht Öffentlichkeit, die reinigende Kraft des Sonnenlichts, um Korruption, schattige Deals und ethische Verkommenheit im Zaum zu halten. Dass die traditionelle Presse, der diese Funktion eigentlich zukam, ihre Aufgabe wegen wirtschaftlicher Probleme und zu engen Kuschelns mit den Mächtigen zuletzt nur noch zögerlich erfüllt, ist bedauerlich. Durch das Aufkommen funktionierender Leaking-Plattformen haben Menschen, denen das Gewissen noch nicht abhandengekommen ist, ein Ventil für ihre Gewissensnot, ein Mittel gegen die Verzweiflung am Zustand der Welt und eine Möglichkeit, diejenigen, die dafür verantwortlich sind, zur Rechenschaft zu ziehen. Es besteht kein Zweifel daran, dass sie es nutzen werden.